Vergiss die Glotze! Buchtipp: Die Campingbus-Bibel
Das neue Buch "Die Campingbus-Bibel" hat unseren Bulli- und Camping-Experten Heiko Wacker richtig begeistert. Warum, erfahrt Ihr in seiner Rezension des neuen Titels.
Hallo Bullifreunde!
Da geht man seit gefühlten Jahrtausenden campen, genießt das besondere Feeling des Reisens im eigenen Camper, wähnt sich als alten Hasen – und dann bohnert Martin Dorey mit seinem Schinken um die Ecke, und plötzlich sieht man die Welt der Campingbusse mit neuen Augen. Warum? Nun – dafür muss ich ein wenig ausholen …
Zunächst mal ist Martin ein lässiger Typ, dem es gelingt, überzeugend von seiner Liebe zum mobilen Reisen zu schreiben, ohne dass es dogmatisch daherkommt. Natürlich beeindruckt es den Leser, berichtet der Autor von coolen Momenten am Strand, an dem der Camper nur genutzt wird, um sich vor dem nächsten Ritt auf den Wellen aufzuwärmen. So etwas hört sich immer extrem tiefenentspannt an – doch lässt Martin nicht außer Acht, dass der Lebensstil eines Surfers für so ziemlich jeden, der KEIN Surfer ist, eben NICHTS ist. Es ist eben nicht jedermanns Sache, mit einem stark patinierten T3 in der Avenue de Notre Dame in Biarritz zu parken, um sich nach dem Ritt über die Gischt – oder dem Versuch, diesen zu unternehmen – mit einer Portion Spaghetti, einer Büchse Ravioli oder eben etwas anderem, was es im „Hotel du Palais“ am anderen Ende der Bucht sicherlich kaum geben wird, zu stärken.
Das ist jetzt nur ein Beispiel – aber es ist ein gutes für das Talent des Autors, der Menschen auch dann zu akzeptieren bereit ist, wenn sie einen ganz anderen Lebensstil pflegen, eine andere Art des Reisens bevorzugen als er selbst, und Wellen lieber mit einem Glas Rotwein in der Hand genießen als auf einem geharzten Brett.
Und damit wären wir schon mitten im reich bebilderten Buch, das dank Martins Offenheit gegenüber den verschiedensten Reisegewohnheiten so vielen Lesern etwas bringen kann. Eben weil er mit offenen Augen durch die Welt der Campingbusse tingelt, und unvoreingenommen von Vor- und Nachteilen verschiedener Fahrzeuge berichtet, oder eine ziemlich heftige Fuhre an guten Tipps bereithält, die auch noch den ältesten Hasen (siehe oben) weiterbringen können.
Das kann ein bislang nicht gekanntes Rezept sein oder auch der zuweilen vergessene Rat, lokale Produkte zu kaufen oder das Leben im Campingbus einfach zu halten, so einfach wie möglich. Das vergisst man manchmal. Doch wie sagte schon Meister Röhrich im Werner-Film? „Schicki-Micki könnt ihr zu Hause machen!“ (Okay, das Zitat kommt im Buch nicht vor, trifft es aber ganz gut.)
Sehr grundlegend ist aber der allerorten im Buch auftauchende Rat, über die Dinge nachzudenken. Das geht schon bei der Wahl des Fahrzeugs los – nein, eigentlich schon bei der Frage, ob man überhaupt einen Camper will oder braucht. Wer noch nie im strömenden Regen durch die beschlagenen Fenster in einen grauen Tag geblinzelt hat, der sollte sich vielleicht mal einen Camper leihen, um hinterher zu wissen, ob es überhaupt was für ihn ist. Und wenn es dann nix ist, dann ist das auch okay. Du musst niemandem was beweisen!
Denn gerade der Bulli – jetzt hab ich doch tatsächlich sieben Absätze gebraucht, um auf DEN Camper schlechthin zu sprechen zu kommen – steckt in der Kultspirale, und übt auf viele Leute eine grandiose Faszination aus, auch wenn sie noch nie in einem drin saßen. Und es ist nun mal so, dass man sich am Türrahmen eines T1 die Ömme anschlägt, wenn man nicht aufpasst. Und manchmal auch, WEIL man aufpasst.
Klar – auch Martin kommt immer und immer wieder auf den stilechten VW mit Heckmotor zu sprechen. Er ist eben in vielerlei Hinsicht das Maß der Dinge. Allerdings gibt es auch auf anderen Fahrzeugen aufbauende Camper mit Charme: Olle Bedfords sind cool, ein Mazda Bongo Friendee außerhalb der Britischen Inseln nahezu unbekannt und somit ein Exot und ein voll ausgestattetes Hypermobil komfortabel wie kaum eine Studibude – und alle haben Vor- und Nachteile.
Auf die geht Martin natürlich auch ein, und so liest der geneigte Bulli-Besitzer stauend vom Raumangebot und den Variationen der Inneneinrichtung eines „Vollintegrierten“, während vielleicht der Fahrer einer solchen „Weißware“ (bitte nicht negativ auffassen, ja?) ob der Wendigkeit eines T3-Syncro begeistert ist, mit dem man sich an Alpenpässen festfahren kann, an die andere nicht mal rankommen.
Und damit wäre wohl auch die Quintessenz von Martins Buch angesprochen: Die Welt der Campingmobile ist bunt, vielfältig und manchmal schillernd. Sie darf und soll es auch sein – und sie spiegelt sich in Martins „Bibel“ wieder, der auf äußerst unterhaltsamen 352 Seiten eine wahrlich lesenswerte Reise unternimmt. Denn die Liebe zum Campingurlaub ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage der Lebenseinstellung.
In diesem Sinne: Vergiss die Glotze – geh campen!
Martin Dorey: Die Campingbus-Bibel. Reisen – Leben – Essen – Schlafen. Motorbuch Verlag Stuttgart 2017, 352 Seiten, Broschur, 400 Abbildungen, 170 x 240 mm, ISBN 978-3-613-03962-9 , 29,90 Euro.