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Interview mit Oliver Lück: "Den blauen Bus gebe ich nicht mehr her"

Im Interview mit VW-Bulli.de spricht Oliver Lück, T3-Fahrer, Buchautor und Fotograf, über seine besondere Beziehung zum Bulli und sein neues Buch "Zeit als Ziel - Seit 20 Jahren im Bulli durch Europa". Und er verrät unter anderem, warum er seinen blauen T3 bewusst ein wenig "verkommen" ließ.

Oliver Lück mit seinem T3 und der mittlerweile leider verstorbenen Hovawart-Hündin Locke.

 ©Oliver Lück

VW-Bulli.de: Dein neues Buch heißt "Zeit als Ziel". Du lässt dir beim Reisen Zeit. Machst du das wegen dem Bulli, weil er einfach nicht schnell fährt, oder bedeutet diese Art des Reisens für dich auch so etwas Besonderes?

Oliver Lück: Beides. Klar, mein Bulli ist nicht schnell, ich fahre mit ihm selten schneller als 100 km/h, er fährt maximal 115 km/h, und das nur bergab. Ich will den Bus ja auch schonen, damit er uns noch lang erhalten bleibt. Aber das langsame Reisen ist ohnehin meine Art des Reisens. Weil ich auf der Suche bin nach Menschen und ihren Geschichten. Deshalb auch der Buchtitel "Zeit als Ziel". Auf die langsame Art finde ich auch viel besser meine Geschichten. Auf der Autobahn sind die Leute meist gehetzt. Mein Lieblingsbuch ist nicht umsonst "Momo" von Michael Ende. Das ist heute aktueller denn je. Ich habe das Buch auch immer dabei und lese ab und zu darin.

Also lieber Landstraßen statt Autobahn?

Absolut. Klar, auch ich bin nicht ganz frei von Zeitdruck, schließlich muss ich auch Geld verdienen mit meiner Arbeit als Fotograf, Autor und Journalist. Aber die Autobahn versuche ich zu meiden. Ich nehme mir lieber mehr Zeit, um von A nach B zu kommen, und ich will ja sehen, was es auf der Strecke so gibt.

Mit dem Bulli auf der Autobahn kann ja manchmal auch gefährlich sein...

Richtig! Mit meinem Bulli bin ich ja geradezu ein Verkehrshindernis. Die Leute werden auch immer ungeduldiger, es wird immer schneller gefahren. Es passiert mir regelmäßig, dass mir einer fast hintenreinfährt. Zwei Mal ist mir sogar tatsächlich jemand hinten reingefahren auf der Autobahn.

Oliver und Hündin Locke.

 ©Oliver Lück

Seit wann hast du deinen blauen T3 eigentlich?

Diesen Bus habe ich seit knapp 19 Jahren. Davor hatte ich noch zwei andere Bullis. 1996 kaufte ich mir mein erstes Auto, davor hatte ich zwar den Führerschein, aber kein eigenes Auto. Mein erstes eigenes Auto war also ein gelber T2, Baujahr 1973. Den hatte ich mir damals ganz spontan für 2670 Mark gekauft. Vier Tage später ging es schon los auf die erste Reise durch Europa. Die Reise war für mich wegweisend.

Und wie lang hattest du den T2?

Leider nur vier Monate. Damals war ich Student, es war dann an dem Bulli dann einiges zu machen, die Reparaturen konnte ich mir damals nicht leisten. Ich habe ihn aus heutiger Sicht total billig verkauft, aber das war damals so. Ich glaube, der Bus wurde dann nach Ghana verkauft.

Was kam danach?

Ein paar Monate später habe ich mir dann meinen ersten T3 gekauft. Es war ein roter Bus, Baujahr 1987, den hatte ich dann für knapp vier Jahre. Mit ihm machte ich etliche Europareisen. Doch dann ging auch dieser Bulli kaputt.

Und dann kam...?

Dann kam mein aktueller blauer Bus. Den habe ich nun seit 19 Jahren. Und diesen Bus werde ich auch behalten. Mit ihm bin ich bestimmt eine halbe Million Kilometer durch Europa gefahren.

Was ist es für ein Bus? Und wie kamst du zu ihm?

Da hatte ich Glück. Ich hatte ihn bei einem Händler gesehen, Vorbesitzer war die Bundeswehr. Er war kein Tarnbus oder so, sondern ein Zivilfahrzeug. Ich schaute ihn mir zusammen mit einem Werkstatt-Freund an, der mir sagte, dass das ein sehr guter Kauf ist. Mein Bulli ist ein 50 PS Diesel, er hatte beim Kauf nur 40.000 Kilometer runter. Ich glaube, er war eine Art Extraanfertigung damals für die Bundeswehr. Er hat fünf Gänge, das macht das Reisen im "Hochgeschwindigkeitsbereich" dann doch etwas angenehmer, auch vom Geräuschpegel her. Ich kaufte ihn damals für 3300 Euro.

Oliver beim Wildcampen.

 ©Oliver Lück

Klingt gut.

Ja, die ersten Jahre hatte der Bus auch überhaupt nichts. Ich musste ihn nur durch den TÜV fahren. Irgendwann kamen dann die ersten Wehwehchen, klar. Auch den Rost habe ich leider etwas vernachlässigt. Und mittlerweile, nach mehr als einer halben Million Kilometer mit ihm durch Europa, ist wahrscheinlich jedes Teil an dem Bulli mindestens einmal gewechselt worden. Es gibt auch ruhige Phasen, in denen mal nichts ist, aber zum Beispiel erst vorgestern ist mir der Schaltknüppel mal wieder gebrochen. Aber das ist kein Problem, dann richtet man das halt wieder. Ich bin auch ein bisschen reingewachsen ins Bulli-Schrauben. Das bekannte Handbuch hab ich immer dabei, und vieles kann ich jetzt auch selbst machen. Man kann ja nicht immer in die Werkstatt gehen wegen allem.

Wie viele Kilometer hat er jetzt runter?

Das kann ich dir nicht genau sagen. Denn auch der Tacho war mal eine ziemlich lange Zeit kaputt. Aber mehr als eine halbe Million Kilometer hat der Bulli ganz bestimmt runter.

Ist dein Bulli oft ein guter "Icebreaker" beziehungsweise Türöffner, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen?

Mittlerweile ja. Vor zehn Jahren war der T3 natürlich noch ein "normaler" Bus, doch mittlerweile ist er längt im Kultigen angekommen, sodass die Leute immer öfter schauen, lächeln, winken.

Waren deine Bullis schon ausgebaut? Oder hast du sie selbst für deine Bedürfnisse angepasst?

Der erste, der T2, war schon ausgebaut, der hatte sogar eine feste Küche! Den zweiten Bus habe ich ausgebaut, zwei Mal sogar. Und den jetzigen Bulli habe ich immer wieder weiter verfeinert, für meine Bedürfnisse. Feste Küche, Hochdach, all sowas habe ich nicht. Ich bin sehr spartanisch unterwegs. Im Grunde genommen habe ich hauptsächlich Dinge gemacht, die mir helfen, den Platz optimal zu nutzen, wie zum Beispiel Gepäcknetze an der Decke und solche Sachen. Aus wenig Platz viel Platz machen, das macht ja auch Spaß.

In seinem ersten Bildband hat Oliver Lück nun Begegnungen, Entdeckungen und Kurzgeschichten aus über 20 Jahren und fast 30 Ländern versammelt – ein Besuch bei Menschen und an Orten, die man in Europa nicht erwarten würde. Aufnahmeort: Torr, Nordirland. ©Oliver Lück

Dein Bus sieht ja auch nicht wie ein typischer Campingbus aus...

Ja, und das ist auch bewusst so. Ich will nicht, dass man gleich sieht, dass da jemand drin wohnt. Es soll alles unauffällig sein. Deshalb habe ich ihn bewusst auch etwas "verkommen" lassen. Zum Beispiel habe ich die Stoßstange, in die mir einer reingefahren war, so gelassen.

Wie viele Schlafplätze bietet dein Bus?

Fünf! Muss er auch. Schließlich sind wir nicht selten mit unseren drei Kindern unterwegs. Und bis zum vergangenen Jahr war ja auch noch Locke dabei, unsere Hovawart-Hündin, die leider Ende Mai gestorben ist. In Notsituationen, also zum Beispiel wenn es gewittert oder so, können wir tatsächlich zu fünft im Bus schlafen. Drei hinten, einen extra Schlafplatz habe ich hinter dem Fahrersitz geschaffen, und vorne in der Fahrerkabine haben wir so eine Art Schlafpritsche.

Schön gemütlich, aber eng...

Ja, normal nutzen wir mittlerweile auch ein Dachzelt noch zum Schlafen. Ich möchte auch kein anderes oder neueres Bulli-Modell haben, der T3 ist innen wirklich sehr geräumig. Wenn wir irgendwo länger stehen, dann haben wir noch ein großes Vorzelt, dann haben wir unendlich Platz.

Oliver Lück kommt aus Schleswig-Holstein und schreibt Geschichten über Menschen, die Geschichten zu erzählen wissen. Aufnahmeort: Oberbayern. Deutschland.

 ©Oliver Lück

Ist der Bulli für dich etwas Besonderes? Oder könnte es auch jedes Campingfahrzeug sein?

Das Bulli-Gefühl ist einfach toll. Man kommt überall hin mit ihm, anders als mit einem großen Wohnmobil. Schon bei meiner ersten Bulli-Reise, 1996 in Frankreich, hatte ich verstanden, dass man nicht viel braucht. Es kann auch ein alter Rost-Bus sein - aber man muss sich auf ihn verlassen können. Meinen blauen Bus werde ich auch nicht mehr hergeben, auch wenn es natürlich Geld kostet, ihn am Laufen zu halten.

Für dich ist der Bulli aber nicht nur ein Reisemobil...

Genau, für mich ist der Bulli Hotel und Büro. Für meine Arbeit ist das perfekt. Ich brauche ja viel Zeit, um mit den Menschen, über die ich später schreibe, in Kontakt zu kommen und dann Zeit mit ihnen zu verbringen. Ohne Bulli könnte ich nicht so arbeiten, wie ich es tue, das könnte ich mir sonst gar nicht leisten. Im Bulli klappe ich einfach meinen Tisch auf, Laptop drauf, und schon habe ich mein Büro da.

A propos Arbeit. Wie hat sich das entwickelt bei dir. Hattest du schon bei deiner ersten Bulli-Reise den Plan, Bücher zu schreiben und Vorträge zu halten?

Nein. Ich bin Journalist und Fotograf, seit 25 Jahren. Viele Jahre arbeitete ich für Tageszeitungen und Magazine. Die Idee für mein erstes Buch "Neues vom Nachbarn" (VW-Bulli.de berichtete), das 2012 erschien, kam irgendwann unterwegs. Auch das mit den Lesungen und Vorträgen war nicht geplant. Das begann auch im Jahr 2012. Nach der ersten Lesung merkte ich: Das macht mir Spaß, und das macht den Leuten Spaß. Dann wurden es immer mehr Lesungen, im Jahr 2019 werden es 120 sein. Es macht mir immer noch großen Spaß, aber ich werde das ein wenig zurückschrauben.

Und dafür andere Dinge angehen?

Ja, zum Beispiel werde ich ab 2020 auch geführte Bulli-Reisen anbieten. Ich werde mit einer Gruppe von maximal fünf Campern unterwegs sein und die Teilnehmer mitnehmen in die Geschichten, die ich dort erlebt habe. Es wird auch Tipps geben, zum Beispiel, wie man gute wilde Stellplätze findet und so weiter.

Am 14.8.2019 erschien "Zeit als Ziel - Seit 20 Jahren im Bulli durch Europa" im Conbook-Verlag. Mehr Infos, auch zu den Lesungen, gibt es unter www.lueckundlocke.de

 ©Oliver Lück

Klingt gut, lass uns gerne wissen, wenn das konkreter wird. Sind denn auf deinen Lesungen auch immer viele Bullifahrer?

Ja klar, immer. Was mich auch unheimlich freut, ist, dass es mittlerweile immer mehr Menschen gibt, die mir sagen: "Ich war vor fünf Jahren auf einer deiner Lesungen. Und das war der Grund, warum ich mir dann einen Bulli gekauft habe und losgefahren bin." Da bekomme ich Gänsehaut... Wegen mir? Dass ich die Leute so bewegt habe durch die Art meines Reisens und mit meinen Geschichten, das ist schon etwas sehr Besonderes.

Nochmal zu deinem neuen Buch "Zeit als Ziel". Richtet es sich auch speziell an Bulli-Fahrer?

Es richtet sich an alle Freunde des Reisens. Aber: Wenn man Bullifahrer ist, wird man dieses Buch besonders gut verstehen und vielleicht auch lieben. Aber auch jeder andere mit einem Reisemobil Fahrende ist angesprochen. Ich erinnere mich, als ich mal nach einer Lesung im Herbst in Potsdam auf einen Highend-Campingplatz fuhr. Da stand ein riesiges Wohnmobil, das eine Million gekostet hatte. Und ich kam sofort mit dem Pärchen ins Gespräch. Die beiden wollten unbedingt in den Bulli schauen. Sie hatten früher auch mal einen. Letztendlich geht es darum, auf Reisen zu sein, egal, ob im "kleinen" Bulli oder im riesigen Eine-Million-Euro-Wohnmobil.

 

Oliver Lücks neues Buch "Zeit als Ziel - Seit 20 Jahren im Bulli durch Europa" ist Mitte August im Conbook-Verlag erschienen. Mehr Infos, auch zu den Lesungen, gibt es unter www.lueckundlocke.de

von Gerhard Mauerer

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