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Eine Frau im Bulli-Fieber

Die Bulli-Geschichte von Claudia Lenckowski ist eine wilde Achterbahnfahrt - Leidenschaft, Pech und Pannen, unverhoffte Wendungen und als Konstante die große Liebe zum T2. Die Geschichte ist so schön, dass wir sie aus unserem Archiv herausgekramt haben.

Von Claudia gemalter Bulli. ©Claudia Lenckowski

Hallo Bulli-Freunde!

1966 mitten in Dortmund geboren, tauchten in meinem Leben immer wieder VW Busse auf. Der erste, an den ich mich noch vage erinnern kann, war 1968/69, als mein Vater Vertreter für "Nölke Geflügel" war und einen cremeweißen VW-Kühlwagen-Bulli fuhr.
 
Später, als Papi sich dann bei den Dortmunder Stadtwerken als Elektriker um die Verteilerkästen der Straßenbahnlinien kümmern musste, durften bei einer Störung während des Bereitschaftsdienstes mein kleiner Bruder und ich oft mitfahren im knall-orangenen Stadtwerke-T2-Bulli, der allerhand spannendes technisches Zeug hintendrin transportierte.

Von Claudia gemalter Bulli. ©Claudia Lenckowski

Was wir aber schon damals toll fanden: man konnte - vor allem bei Regen - während der Fahrt vom Rücksitz nach vorne zu Papi "durch den Flur" laufen (DAS waren noch Zeiten, ohne Anschnall-Pflicht hinten...!).

Manchmal parkten wir mit dem Bulli auch mitten auf einer Verkehrsinsel, was in einer autoreichen Großstadt wie Dortmund echt aufregend und cool war. Leider gibt es aus dieser Zeit kaum Fotos.

Claudia und ihr späterer T3, der Fisch-Bulli. ©Claudia Lenckowski

An den Wochenenden benutzten wir den Bulli auch für private Transporte ... Legendär war, als mein Vater damit wie selbstverständlich zu irgendeiner Baustelle fuhr, um dort einfach so eine Schubkarre einzuladen (mach sowas mal mitm Käfer...). Keiner der Bauarbeiter sagte was. Das ganze wirkte ja so "offiziell" - und gar nicht wie geklaut...!
 
Als Kind bekam ich dann mal einen VW-Bus-Prospekt in die Hände - boah, war DAS ein schönes Spielzeug! An der Fensterscheibe pauste ich mir die Bullis auf Malpapier durch und machte sie schön bunt. Aber nicht allzu oft, beim Durchmalen musste ich mich doch ziemlich verrenken.
 
Mitte der 70er dann rackerten sich unsere Eltern einige Jahre mit zusätzlichen Nachtschichten bei der der Zeitungzustellung ab, um eine Anzahlung für einen eigenen VW-Bus zusammenzubekommen.

1977 war es soweit: erst zur Bank, die Summe per Kredit aufrunden (13.000 DM), und dann auf nach Kassel, um dort einen blauweißen Traum von Jahreswagen-Bulli einem VW-Mitarbeiter abzukaufen.

Modell-Bullis und Tonfiguren von Claudia. ©Claudia Lenckowski

Wir LIIIEBTEN diesen Bulli - auch wenn wir uns seinetwegen von unserem langjährig geliebten Käfer trennten (was soll man denn mit ZWEI Autos ...?!?).
 
Mein Vater baute mittig eine großes variables Doppelbett aus Polstern + Eisenstangen, wo wir Kinder unten in einer Höhle und die Eltern oben schlafen konnten. Tagsüber während der Fahrt kam das Gestänge nach ganz hinten.

Die nächsten eineinhalb Jahre fuhren wir damit immer wieder rüber nach Holland oder England und Wales, um dort Freunde zu besuchen und zu campen.
 
Doch dann war leider SCHLUSS: Eines Tages geriet mein Vater nach Feierabend auf der Heimfahrt bei Regen mit den Reifen in eine stillgelegte Straßenbahn-Spur, die vor einem fetten Brückenpfeiler endete. Seine einzige Chance, da lebend herauszukommen, war, das Lenkrad hart herumzureißen.

Leider standen auf der anderen Straßenseite mehrere große Bäume... Mein Vater überlebte zum Glück nur leichtverletzt, doch der Bulli war Matsch. Noch Jaaahre später konnte man aus den Astgabeln Splitter der Windschutzscheibe herauspulen.
 
Dummerweise hatte Papi zuvor mit Kollegen noch ein paar Bierchen gehabt, was den Führerschein für ein Jahr in den Urlaub schickte, und dummerweise war der Bulli noch nicht ganz abbezahlt.
 
Also war die nächsten drei Jahre wieder nur Käferfahren angesagt - und Schrottbulli-Abbezahlen. Und unser blauweißer Traum endete als Rallye-Gurke in den Niederlanden.

"L" und "J". ©Claudia Lenckowski

1981 zogen wir von Dortmund nach Nordfriesland (günstige Häuser, große Gärten, bessere Luft), wo ich auch heute noch lebe und Tonfiguren per Hand anfertige und verkaufe. Wer Lust hat, kann mal auf meine Homepage schauen.
 
Wir hatten Glück: Mein Vater arbeitete als Elektriker bei der Schleswag, wo immer wieder mal die sechsjährigen lieferwagenblauen Firmenbullis ausrangiert und an Mitarbeiter verkauft wurden. Einer davon wurde unserer.
 
Mit einer Freundin spazierte ich damals oft über die Feldwege. An einer Stelle stand lange ein stillgelegter, ebenso lieferwagenblauer Bulli - völlig bemoost! -, der genauso aussah wie unserer, und als ich 1985 meinen Führerschein bekam, machte ich immer Witze, dass ich den ja gerne mal fahren würde.

Manchmal werden sogar Witze wahr, und diesmal kam mir der Alkohol zu Hilfe: Nach etwas zu viel zu trinken, man könnte vielleicht sogar von einer "Sauferei" sprechen, verwüstete mein Vater mein Zimmer. Am nächsten Tag bekam er ein schlechtes Gewissen und kaufte mir den bemoosten VW-Bus für 540 DM! Suuuper-Deal.

Nun hatten wir gleich ZWEI Bullis - die wir "L" & "J" nannten, um sie auseinanderzuhalten. Besonders witzig: die Nummernschilder waren irgendwie spiegelverkehrt ... L-24 und J-42, und das in einer Zeit, als man sich die Nummernschilder noch nicht aussuchen durfte.

Auf in die Disco! ©Claudia Lenckowski

Zwei Jahre lang waren die Bullis und wir ein Dream-Team - mittlerweile hatte meine Mutter eine kleine 1-Frau-Firma ins Leben gerufen; sie modellierte kleine Figuren aus Ton und verkaufte sie auf den Wochenmärkten in Nordfriesland, und um einen sperrigen 300-Kilo-Marktstand zu transportieren, waren die Bullis erste Sahne.

Mit Zweien davon konnten wir sogar expandieren, und so teilten wir uns das Geschäft nach einiger Zeit untereinander auf. Die Bullis auch.
 
Und an den Wochenenden gings natürlich in die 42 km entfernte Disco. Mit dem Bulli voller Partyleute war das natürlich immer ein Riesenspaß!

Gestickter T2. ©Claudia Lenckowski

Mit viel Zeit für Handarbeit widmete ich mich ganz meiner großen Liebe und stickte den T2.
 
Doch nach nur zwei Jahren trennte der TÜV mich von meinem unten völlig durchgerosteten "J". Am selben Tag verreckte beim "L" der Motor, und so transplantierten wir das Herz vom "J" in "L".
 
Als "J" dann nach knapp einjähriger Ausschlacht-Zeit zum Schrott kam, drehten wir ein Video darüber - Hintergrundmusik: "Spiel mir das Lied vom Tod" ... heeerzzerreißend!

 ©Claudia Lenckowski

Doch "L" blieb nicht lang allein - eines Tages durften wir unseren ersten T3 von der Zentrale der Schleswag in Rendsburg abholen. Der sprang aber schlecht an, nur mit schwarzen Wölkchen. Es war einer aus dem Jahrgang der letzten luftbetriebenen Boxermotoren mit reichlich Kinderkrankheiten, alle sieben Jahre benötigte er einen neuen Austauschmotor; ein teurer Spaß!
 
Nach dem Abi, als alle Klassenkameradinnen teure Reisen in die USA machten oder als Au-pairs ins Ausland gingen, fuhr ich mit dem T3 und einer Freundin wochenlang im Zickzack durch Deutschland - das alte Bett vom Dortmunder Schrottbulli, das wir uns in weiser Vorraussicht nicht trauten wegzuschmeißen, passte auch noch, und es wurde eine tolle Reise durch unser schönes Heimatland.
 
Als die Tonfiguren-Geschäfte gut liefen, ritt mich irgendwie der Wahnsinn und ich ließ den T3 für über 3.000 DM komplett dunkelblau lackieren (das musste ich mir jaaahrelang von meiner Familie vorhalten lassen - so viel Geld für eine fast 18 Jahre alte Möhre!).

Einen Austauschmotor später - und mit Motorschaden ein halbes Jahr doof im Vorgarten meiner Mutter stehend - vollendete ich das Kunstwerk und beklebte den T3 mit lauter selbstgemalten Unterwasser-Motiven - MEIN Fisch-Bulli!

Dieses Bild (September 1999) ist vom letzten (Töpfermarkt-)Tag mit dem Fisch-Bulli.

Noch ein gemalter Bulli. ©Claudia Lenckowski

Kurz zuvor hatte ich meinen jetzigen Mann kennengelernt, und der war es leid, dass ich nur noch für die immer häufiger anstehenden Auto-Reparaturen arbeitete und auch er öfter am alten Bulli als an mir rumfummeln musste. Kann man(n) ja verstehen ...!
 
Tscha, und das wars. Aus mit Bulli. Fiel mir verdammt schwer. Ich war bis dahin ja nie was anderes gefahren außer Bulli. Nie, nie niemals.
 
Anfangs genoß ich es schon, mit meinem neuen blauen Fort Escort Lieferwägelchen schneller als 80 km/h fahren zu können - etliche Geschwindigkeitsüberschreitungen bezeugen dies - und auch Servolenkung is ja wat Feines!

Doch in Wahrheit war der Ford wirklich nur gut genug zum Gesundschrumpfen meiner Finanzen (dem Bulli zuliebe nahm ich beinahe einmal die Abstellung des Haushaltsstromes in Kauf!).
 
Zehn Jahre später, als auch der Ford den Weg alles Irdischen gehen musste, meldete sich tief in meinem Herzen diese alte Sehnsucht wieder.

Verunfallter Dacia. ©Claudia Lenckowski

Aber mittlerweile waren die Preise für T2s ja astronomisch in die Höhe gegangen - ein T3 soll es (trotz der schönen Zeit) lieber nicht werden, da ich mit seinen Maßen damals nicht so gut klarkam und überall gegenkachelte. Und Motor vorne wie im T4 und T5 interessiert mich null.
 
Es kam das Jahr der Abwrack-Prämien - mein Mann opferte seinen alten Mercedes, um mir einen knallroten Dacia Logan zu kaufen (mein erstes nicht-blaues Auto). Mehr war finanziell nicht drin, ich konnte seit der Geburt unseres Sohnes nicht mehr so viel arbeiten und nix ansparen.
 
Das fühlte sich für mich an, als ob mich jemand am Bein rückwärts zieht, doch mir blieb keine andere Wahl.

Nur vier Monate und 2.800 gefahrene km später, als mein Bulli-Herzschmerz mal wieder seinen Höhepunkt erreichte, krachte es hinten im Datschi ... so, und nu' wirds esoterisch.

Es war kein Mercedes, kein Renault, kein Opel - nein, ein Bulli, der mir vor einer dunkelgelben Ampel den Hintern knutschte. Ein T4. KANN doch nicht WAHR sein. Für kurze Zeit war ich nicht so gut auf Bullis zu sprechen ....!

Nachdem mir der T4 den Datschi völlig verbeult hatte war, sprang ich raus, sah keine einzige Schramme am Bus (deutsche Wertarbeit halt) und fragte sofort: "Können wir tauschen?" Konnten wir nicht.

 ©Claudia Lenckowski

Das Resultat des Unfalls: Totalschaden mit Nackenschmerzen - doch auch DAS hatte sein Gutes: Mit den 800 Euro Schmerzensgeld fing ich an, für einen T2 zu sparen.
 
Und da der Datschi als Unfallwagen nahezu unverkäuflich ist, konnte ich mit ihm nun machen, was ich wollte: Zum Beispiel konnte ich ihn wüst mit selbstgemalten grinsenden Sonnen bekleben!
 
Bis jetzt habe ich 5.000 Euro auf meinem Bulli-Sammel-Konto. Das reicht noch nicht ganz für so'ne geile T2-Camper-Schnitte von "Kieftenklok" in Holland, ist aber alles auf dem richtigen Weg. Zumal sich mir auf wundersame Weise immer mehr Möglichkeiten erschließen, Bulli-Geld zu sammeln (z.B. eine Windpark-Beteiligung mit 8% Rendite).

Bemalbarer Prototyp. ©Claudia Lenckowski

Anfang letzten Jahres dann erinnerte ich mich an meine Kindheit, als ich Bullis am Fenster durchpauste. Jetzt, mit 45 Jahren und im PC-Zeitalter von "Coral Draw", brauche ich mich nicht mehr so zu verrenken. Also erstellte ich einen bemalbaren Prototypen.

Also, das verzuckert mir die Wartezeit, bis ich genug Kohle zusammenhabe, nicht unerheblich.

Insgesamt wurden es über 30 Gemälde - plus einige von Freunden, die ich ebenfalls zum Malen angesteckt habe.
 
Außerdem fälschte ich fleißig Fotos mit Leuten, die stolz vor ihren schönen bunten Bullis stehen, und klebte da mich mit meiner Familie drüber.

Endlich mal wieder T2 fahren. ©Claudia Lenckowski

Zwischendurch lernte ich eine nette Frau in der Nähe (naja, 55 km, doch in Schleswig-Holstein ist das keine Entfernung) kennen, deren Mann einen alten T2 besitzt. Den durfte ich mal ne Runde durchs Dorf fahren - nach über 20 Jahren wieder in einem T2!

War ICH aufgeregt: Wird es sich genauso gut anfühlen, wie ich es mir in meinen Träumen ausmalte, wie ich es in Erinnerung hatte?
 
Ich hatte echt Angst, enttäuscht zu werden.

Doch es war zum Absabbern schön - es fühlte sich einfach RICHTIG an! Der Besitzer meinte: "Man merkt, dass du früher Bulli gefahren bist: du findest die Gänge und weißt, wie man das Lenkrad richtig kurbelt."

Hundertwasser-Bulli. ©Claudia Lenckowski

Anatomisch gesehen ist ein Bulli sowieso besser als irgendein anderes Auto an den Menschen angepasst, da man genauso hoch darin fährt, wie man normalerweise auch geht. Jedes Auto, das niedriger ist, vermittelt einem das Gefühl, im Rollstuhl zu sitzen - und wer tut das schon gerne freiwillig?

Außerdem braucht man keine "Knautschzone" vorne - das stört doch nur an unübersichtlichen Kreuzungen, erst recht mit hohen Hecken. Als Mensch braucht man ja auch keine meterlange Nase, um über die Straße zu gehen."

Barbapapa-Bulli. ©Claudia Lenckowski

Meinen Zustand nenne ich übrigens "Bulli-mie" - was nun wirklich nicht heißen soll, dass ich Bullis zum Kotzen finde... Man könnte auch "Bulli-for-me" sagen.

Unlängst sah ich an der dänischen Grenze einen T4 mit dem Wort "Bullimie" überm linken Auge herumfahren - war wohl Gedankenübertragung ...!
 
Immer, wenn ich Filme sehe, erkenne ich im Bruchteil einer Sekunde, ob da ein Bulli auftaucht - so geschehen in "Twilight 1", als Edward Bella auf dem Parkplatz davor rettet, von einem heranfahrenden Auto zerquetscht zu werden (im Hintergrund aufm Schulparkplatz steht ein dunkelroter Camper-T2).
 
Oder in einer älteren "Geo"-Zeitschrift-Ausgabe, da war mal so'n Bericht über die Emanzipation der brasilianischen Frauen .... der Bericht war mir egal, doch auf einem Straßendemonstrations-Foto stand im Hintergrund an einer Ampel völlig verschwommen ein Brasil-Bulli (konnte das höhere Dach erkennen). Voll krank, oder?

Gehäkelter Bulli. ©Claudia Lenckowski

Zwischendurch erbarmten sich Mann und Sohn, die schon völlig genervt sind, meines Zustandes und fuhren mit mir zum Bulli-Treffen nach Eckernförde. Ich war etwas enttäuscht, da bei 300 Bullis nur ein einziger T2 dabei war. Doch den hätte ich am liebsten gleich mitgenommen, hihi ...!

Ansonsten werde ich von allen möglichen Freunden massiv mit Spielzeugbullis beschenkt, sodass ich damit wohl bald eine Ausstellung machen kann.

In Eckernförde. ©Claudia Lenckowski

Vor drei Wochen packte mich dann im Zuge der "Strickbulli"-Aktion, die auf www.vw-bulli.de erwähnt wurde, auch noch das Häkelfieber und ich häkelte einen T2.

Und irgendwann habe ich dann hoffentlich endlich, endlich genug Geld beisammen, um mir wieder einen geliebten T2 kaufen zu können.


Eure Claudia Lenckowski.

von Gerhard Mauerer

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