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Adrenalin unterm algerischen Sternenhimmel

Manfred Lentz hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche abenteuerliche Reisen unternommen, etliche davon mit Bullis. In den Jahren 1989 und 1990 fuhren Lentz und seine Frau Karin im T3 durch Algerien. Wir stellen einzelne Episoden dieser Reise vor. In dieser Folge erzählt Manfred Lentz von Adrenalin-geladenen Erlebnissen.

Drei Polizisten. Sie haben das rechte Seitenfenster ihres Wagens heruntergekurbelt und schauen mich an. Ihre Uniformen sehen warm aus, den Rest, der ihnen zur Wohlfühltemperatur fehlt, haben sie vermutlich mittels der Heizung reguliert, während ich neben der nur einen Spaltbreit geöffneten Tür unseres VW-Busses stehe, im Schlafanzug, und mit den Zähnen klappere.

Es ist Anfang Januar, und die Temperatur liegt exakt bei 0 Grad.

Ob alles in Ordnung sei, wollen sie wissen. Ich sage ja, alles in bester Ordnung, no problem, oder, da wir Französisch miteinander sprechen: "Pas de problème." Ihre Gesichter kann ich kaum erkennen, da es dunkel ist. Ein wenig Mond, ein wenig Licht aus dem Inneren unseres Autos, das ist alles. Sie dagegen haben mich im Licht einer Taschenlampe gesehen, mit der einer von ihnen erst mich und dann das Auto abgeleuchtet hat.

Von wo wir kommen, wollen sie wissen. "Allemagne", sage ich und versuche, das Zittern meiner Zähne im Zaum zu halten. Die Wüste, so haben wir es im Reiseführer gelesen, ist ein heißes Land, in dem es sehr kalt werden kann. Stimmt, diesen Satz kann ich nur unterschreiben!

Sie lassen sich unsere Pässe zeigen. Alles in Ordnung. Wohin wir wollen, erkundigen sie sich weiter. Nach In Amenas und von dort nach Illizi. In In Amenas müssen wir uns eine Erlaubnis für die Weiterfahrt besorgen, sagt einer. Das weiß ich, bedanke mich aber für den Hinweis.

Wir hatten sie nicht kommen hören. Offensichtlich hatte unser Licht sie auf uns aufmerksam gemacht, auch wenn es schwach war, dicht neben der Straße. Weiter abfahren konnten wir nicht wegen des Sandes, so waren wir schlichtweg nicht zu übersehen.

Plötzlich tauchten ihre Scheinwerfer auf, und von einer Sekunde auf die andere war es vorbei mit der Gemütlichkeit. Als wir feststellten, dass die Ankömmlinge Polizisten waren, verspürten wir Erleichterung, aber nur halb, denn mit algerischen Polizisten ist das auch so eine Sache.

Rauschgift besitzen wir nicht, Schwarzgeld schon, dazu einen Vorrat an Alkohol, der nach unserem Verständnis den vielen langen Abenden in der Wüste angemesssen ist - schon um 18 Uhr ist es dunkel -, nicht jedoch nach dem Verständnis der Behörden.

Ob wir das erste Mal in Algerien seien, wollen sie wissen, und wie es uns in ihrem Land gefiele. Ich frage mich, ob sie schon mal im Schlafanzug bei beißender Kälte im Freien gestanden haben, reiße mich aber zusammen und antworte freundlich. Dann endlich ihre letzte Frage: ob wir Bier oder Whisky für sie hätten, "pour nous" sagen sie, also nicht, um es für den Staat zu konfiszieren. Blitzschnell gehe ich alle möglichen Antworten und die denkbaren Konsequenzen durch und entscheide mich für ein gelogenes "Nein". Das Wunder geschieht. Schade, sagen sie. Dann wünschen sie mir noch eine gute Nacht, der Fahrer gibt Gas, und gleich darauf ist das Auto in der eisigen Wüstennacht verschwunden.

Die algerische Sahara gehört zu den am dünnsten besiedelten Gebieten der Erde. Eigentlich müsste es einfach sein, einen Platz zum Übernachten zu finden, sollte man denken. Wir haben das auch gedacht, als wir losfuhren, aber schnell erwies sich dieser Gedanke als ein Irrtum.

Sowie es sandig wurde, mussten wir passen. Wo andere (teure) Wüstenfahrzeuge mühelos durch den Sand pflügten, hielten wir mit unserer preiswerten und für die Sahara eigentlich untauglichen VW-Bus-Variante Ausschau nach festem Untergrund, und der ist vielerorts rar.

Hinzu kam eine Überlegung, die die Zahl unserer möglichen Nachtlager noch weiter reduzierte: Sollten wir - so die Alternative - möglichst nahe bei einer Straße übernachten oder möglichst weit von ihr entfernt? Also von jedem gesehen werden oder lieber im Abseits, mit der Gefahr, Opfer eines Überfalls zu werden, ohne dass andere es mitbekämen?

Wann immer es möglich war, haben wir uns für die zweite Möglichkeit entschieden, und im Nachhinein war unsere Entscheidung richtig. Obgleich sie uns einige Male Bauchschmerzen bereitete, so bei der Begegnung mit den Polizisten, so bei dem Erlebnis mit den Tuareg, über das ich in einem früheren Bericht geschrieben habe. Und so auch im weiteren Verlauf unserer Reise, als wir aus unserer selbstgewählten "Unsichtbarkeit" heraus Zeugen eines Geschehens wurden, das unsere Nerven strapazierte.

Ort dieses Geschehens war der Abzweig, an dem die Piste aus Djanet auf die von Tamanrasset nach Norden führende Asphaltstraße trifft.

Unser Übernachtungplatz lag ein gutes Stück davon entfernt, aber immer noch nahe genug, um die Motorengeräusche zu hören, die einige Zeit nach Anbruch der Dunkelheit zu uns herüberdrangen. Als sie nicht aufhörten und wir uns zunehmend unwohler fühlten, beschlossen wir nachzusehen.

Die schmale Mondsichel beleuchtete unseren Weg nur spärlich, aber wir kamen voran. Von einem flachen Hügel aus spähten wir nach unten. Nahe dem Abzweig standen einige Männer neben drei Peugeots und warteten. Alle drei rauchten, die Motoren hatten sie inzwischen abgestellt. Kurze Zeit später erschien ein LKW, gleich darauf mehrere Polizisten, die sich an dem LKW zu schaffen machten, während gleichzeitig die Männer mit den Peugeots davonfuhren. "Schmuggler?". Das war unser erster Gedanke. Immer mal wieder hatten wir von ihnen gehört, aber die Grenze nach Mali und Niger war noch rund 300 Kilometer entfernt, und auch was wir sahen, passte nicht in dieses Bild. Aber was sonst? Eine Weile beobachteten wir noch das Geschehen, dann schlichen wir zurück zu unserem Auto.

Wenig später tauchten Scheinwerfer auf und ein Wagen hielt auf uns zu. Drei Männer in einem Jeep, die sich nach dem Verbleib der Peugeots erkundigten. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir schwitzten, obwohl es eiskalt war. "Welche Peugeots?", fragten wir die Männer und machten verständnislose Gesichter. Die drei beratschlagten kurz und fuhren dann so schnell wie sie gekommen waren davon.

Wir warteten, bis es um uns herum wieder still geworden war und machten uns dann - immer noch über den Hintergrund des Geschehens rätselnd - auf die Suche nach einem neuen Platz für die Nacht.

Als bedrohlich empfand ich es auch, als Karin laut nach mir rief, obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gab. Oder richtiger: keinen Grund hätte geben sollen, denn der Platz, den wir für die Nacht ausgesucht hatten - ein paar hundert Meter von der Straße entfernt in hügeligem Gelände - war völlig einsam. Zumindest hatten wir das angenommen, weshalb ich mich, während sie das Auto für die Nacht herrichtete, auf die Suche nach ein paar Fotomotiven gemacht hatte. Plötzlich die Rufe.

Adrenalin schoss mir durch die Adern, und ich rannte los. Als ich nahe genug war, sah ich sie vor unserem Auto stehen, neben ihr ein Einheimischer, der sie um Haupteslänge überragte. Ein Beduine, ein ganz friedlicher, wie sich schnell herausstellte, als wir uns begrüßten. Er war schüchtern und höflich, nur leider sprach er kein Französisch, so dass eine Verständigung mit Worten nicht möglich war. Eine Verständigung mit mir, wohlgemerkt, denn bei Karin hatte er es gar nicht erst versucht, sie war nur eine Frau.

Wir probierten es mit Gesten, und nachdem es zunächst einige Missverständnisse gegeben hatte, sahen wir schließlich klarer.

Er war mit seiner Familie mit Kamelen unterwegs, sie hatten einen Rastplatz in der Nähe gefunden, und da er unser Auto gehört hatte, war es losgegangen um nachzusehen. Nachdem ich ihm bedeutete, dass ich alles begriffen hätte, äußerte er ein paar Wünsche, von denen ich Seife und eine Decke noch gut in Erinnerung habe. Die Seife und einige andere Dinge gaben wir ihm, die Decke konnten wir wegen der kalten Nächte nicht entbehren. Schließlich dankte er, nahm die Sachen unter den Arm und machte sich auf den Rückweg zu seiner Familie.

Und dann war da noch der Abend mit Puccini.

Es war auf dem Fadnoun-Plateau, einer Mondlandschaft, einem der lebensfeindlichsten Gebiete, die es inmitten der lebensfeindlichen Sahara gibt. Den ganzen Tag über waren wir unterwegs gewesen, oft im Schritttempo, da sich ein tiefliegender VW-Bus und große Steine nicht gut miteinander vertragen.

Unseren Platz für die Nacht wählten wir unmittelbar neben der Piste, denn es gab keine Alternative.

Aber wer, so sagten wir uns, würde nachts hier entlangkommen, wo wir doch selbst am Tag nur fünf Fahrzeuge getroffen hatten. Wieder gab es die üblichen Handgriffe, dann die Frage, ob wir gleich kochen oder zuerst ein Glas Wein trinken sollten - einen einfachen Wein aus der Pappe wegen des Transports, aber angesichts der Umstände köstlich wie ein alter Bordeaux.

Wir gossen ein und tranken, und mit jedem Schluck fiel ein wenig von dem Stress des Tages ab, 70 Kilometer in reichlich neun Stunden. Schnell legte sich die Dunkelheit über das Land, mondlos zunächst, wir streckten die Beine aus und entspannten.

Dazu Manon Lescaut von Puccini, die passende Musik, da die Handlung der Oper zum Teil in der Wüste spielt - allerdings nicht allzu passend, wie wir hofften, da Manon zum Schluss in der Wüste verdurstet. Kein schönes Ende natürlich, dennoch die Musik so voller Gefühle, so ergreifend, dass uns Gänsehaut über die Rücken lief. Und das nicht in einem Opernhaus oder in einer Philharmonie, sondern in einer stillen, weiten, völlig einsamen Landschaft, unter einem Himmel, an dem tausend Sterne funkelten und an dem schließlich - keine Erfindung, ich schwöre es! - der volle Mond über die Hügel stieg. Gegessen haben wir an diesem Abend nichts mehr, nur Wein getrunken, in den Mond geschaut und Puccini gelauscht. Ein paar Stunden von der Art, wie es im Leben nicht viele gibt.

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Hier geht es zum ersten Teil unserer Berichte von Manfred Lentz.

Manfred Lentz

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