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Dashcams im Juristenstreit

Sie kleben am Armaturenbrett und sollen für Klarheit sorgen. Doch die kleinen Kameras stiften im Moment mehr Verwirrung. Jetzt streiten beim 54. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar (ab Mittwoch, 27. Januar) Richter, Anwälte, Politiker und Verwaltungsjuristen, ob damit gefilmte Szenen überhaupt verwendet werden dürfen.

Dashcam aus dem Webshop ©mio-prospeklt

Die Wahrheitssuche im Verkehrsunfallprozess ist oftmals schwierig. Parteien und Zeugen geben unterschiedliche Darstellungen, Sachverständige suchen vergeblich nach verwertbaren Spuren. Nicht selten bleibt der Unfallverursacher, etwa bei einem Parkrempler, unerkannt und der Angefahrene auf seinem Schaden sitzen. Können Dashcams die besseren Zeugen sein? Im Versandhandel und Fotomärkten gibt es einfache Kameras um etwa 50 Euro und Spitzenmodelle mit verstellbarer Optik für 200 Euro. Ihren Namen haben sie vom amerikanischen Begriff „Dashboard“ für das ehemalige Armaturenbrett. Experten, wie Dr., Markus Schäpe vom ADAC, gehen davon aus, dass in deutschen Autos mehrere Millionen dieser Geräte montiert sind und alles aufzeichnen, was unmittelbar vor dem Fahrzeug abläuft. Viele Fahrer – auch solche auf zwei Rädern - erhoffen sich eine bessere Beweisführung im Falle eines eigenen Unfalls. Manche möchten auch verkehrswidriges Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zur Anzeige bringen. Schäpe:„ Die meisten Autofahrer, die ein solches Gerät einbauen, haben Sorge, dass sie im Falle eines Unfalls ihre Unschuld nicht nachweisen können“.

Die Deutsche Akademie für Verkehrssicherheit, Organisator der Verkehrsgerichtstage, stellt die Kernfrage: Wie verträgt sich das mit dem Datenschutz und dem Persönlichkeitsrecht anderer Verkehrsteilnehmer? Ist es hinzunehmen, dass man auf der Straße permanent und unkontrollierbar gefilmt und später womöglich – im wahrsten Sinne des Wortes - vorgeführt wird? Ein Akademiesprecher: „Wir haben es hier mit einer neuen Form von Interessenkollision zu tun, die rechtlich noch nicht geklärt ist. Es gibt bisher nur gegenläufige Entscheidungen unterer Gerichte zu der Frage, ob derartige Aufzeichnungen erlaubt und im Gerichtsverfahren verwertbar sind. Im Arbeitskreis wird die Thematik unter verfassungs-, datenschutz-und prozessrechtlichen Aspekten, auch mit Blick auf Regelungen in anderen Ländern, erörtert und nach einer Lösung der Interessenkollision gesucht werden.“ Geleitet wird er vom ehemaligen Richter am Bundesgerichtshof a.D., Prof. Dr. Reinhard Greger. Universitätsprofessor und Rechtswissenschaftler i.R. an der Universität Erlangen.

Unterschiedliche Blickwinkel mit zwei Kameras ©fernost, via Wikipedia

Ein ganz anders motiviertes Interesse haben die deutschen Kfz-Versicherer. Nach ihrer Meinung könnten Minikameras bei vielen Unfällen schneller und einfacher feststellen, wer wie viel Schuld an einem Unfall trägt. Dementsprechend würde sich in diesen Fällen auch die Schadenregulierung beschleunigen. „Dashcams liefern objektive und leicht auszuwertende Informationen und könnten diverse unfall-analytische Gutachten überflüssig machen“, sagt Uwe Cremerius, Leiter der Kommission Kraftfahrt Schaden im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Damit die Versicherer Dashcam-Videos verwenden können, müsse aber zunächst ein verbindlicher datenschutzrechtlicher Rahmen für ihren Einsatz geschaffen werden.

Bislang ist die Verwertung solcher Aufnahmen in Deutschland nicht eindeutig rechtlich geregelt: Die Kameras sind zwar nicht verboten, doch wer während der Fahrt Personen und Kennzeichen durchgehend aufzeichnet, verstößt gegen den Datenschutz. Erlaubt ist nur, die Kamera unmittelbar vor oder während einer Gefahrensituation einzuschalten. Cremerius schlägt vor, solche Kameras zuzulassen, die eine Fahrt lediglich für einen kurzen Zeitraum aufzeichnen und ältere Aufnahmen kontinuierlich löschen. „So würden wir die Chancen des technischen Fortschritts nutzen und den Erfordernissen des Datenschutzes gerecht werden“, sagt Cremerius.

Dashcams helfen bei der Aufklärung, verhindern aber keine Unfälle. Auf die Verkehrssicherheit dürften sich die Dashcams aus Sicht der Versicherer hingegen nicht positiv auswirken. Wie eine Auswertung mehrerer Studien durch die Unfallforschung der Versicherer (UDV) ergab, ändern Fahrer nach dem Einbau einer Dashcam ihr Verhalten höchstens kurzfristig. „Am grundsätzlichen Fahrstil ändern Dashcams überhaupt nichts“, so Siegfried Brockmann, Leiter der UDV.

Weitere Reiz-Themen beim Verkehrsgerichtstag behandeln die Atemalkoholanalyse. Bieten verfeinerte Messmethoden künftig eine Alternative zur Blutentnahme? Schon vor sieben Jahren lehnten die meisten Experten in Goslar dies ab. Im Koalitionsvertrag ist jedoch als Ziel fixiert, künftig „zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration auf körperliche Eingriffe zugunsten moderner Messmethoden zu verzichten.“ Diese Aussage im Koalitionsvertrag legt die Vermutung nahe, der Atemalkoholanalyse – wenngleich diese keine Blutalkoholkonzentration bestimmt – solle (endlich?) der Weg in das Verkehrsstrafrecht geebnet werden.

Schließlich sollen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse auch helfen, die Streitfrage zu klären, ob demnächst die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU, landläufig als Idiotentest bekannt), schon unter 1,6 Promille angeordnet werden kann. Dabei geht es auch um die Alternative, vorübergehend ein „Alkohol-Interlock“ zu installieren, um die Anordnung der MPU zu vermeiden. Ein solcher „Promille-Schnüffler“ in Lenkrad-Nähe würde jeglichen Startversuch elektronisch unterbinden.

von Ernst Bauer

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